Der Zufall wollte es, dass Ronald Reimann am Samstag (22. April 2022) bei einer archäologischen Überprüfung des im Entstehen begriffenen Radwegs bei Harrienstedt an der B61, nördlich der Landesgrenze bis zum Kreuzkrug, auf einen 2000 Jahre alten Fund stieß. Eigentlich wollte Reimann, Beauftragter für die Bodendenkmalpflege des Südkreises, nach seinem Kontrollgang wieder nach Hause fahren, als er auf dem Weg zurück zum Auto mit dem Metalldetektor ein Signal erfasste. Im abgebaggerten Bereich der Radwegtrasse, etwa 60 cm unter der ehemaligen Ackerkrume, entdeckte der erfahrene Sondengänger eine bronzene Gewandschließe aus der Zeit des ersten römischen Kaisers Augustus (63 v. Chr. bis 14 n. Chr.). „Die 2000 Jahre alte und intakte Fibel, nur wenige Zentimeter unter der Baggerfahrspur zu entdecken, war eine große Überraschung“ erinnert sich Reimann. Er benachrichtigte sofort den zuständigen Kommunalarchäologen der Schaumburger Landschaft, Dr. Daniel Lau, denn Reimann hatte eine weitere Entdeckung gemacht: An der Fundstelle der Fibel lagen weißverbrannte Knochenfragmente und kleine Keramikscherben, alles deutete auf ein jahrtausendealtes Grab hin. Der Archäologe Lau machte sich umgehend am Samstagnachmittag auf den Weg und verständigte die ehrenamtliche Grabungsmitarbeiterin, Kati Benseler aus Mardorf, die ihre Tochter Freya zur Unterstützung mitbrachte. Zu viert wurde die Bestattung im stark abgetrockneten und sehr steinigen Sandboden, an der viel befahrenen Straße vorsichtig freigelegt. Insgesamt rund 165 Gramm verbrannter Knochen, sogenannter Leichenbrand, und einige Keramikscherben konnten aus der etwa 140 cm langen und 80 cm breiten Grube geborgen werden. Der Archäologe Lau bestätigt Reimanns Verdacht: „Es handelt sich bei dem Befund um ein sogenanntes Brandschüttungsgrab. In der Bestattungszeremonie öffnete man eine Erdgrube und schüttete sorgsam die vom Scheiterhaufen aufgesammelten Knochenreste der verstorbenen Person und die Beigaben hinein. So sind die gefundenen Scherben und auch die Fibel zu erklären.“ Bei den Baggerarbeiten wurde ein erheblicher Teil der noch bis zu 15 cm tiefen Grube zerstört. „Es ist ein Glück“, so Benseler, „dass die Fibel nicht weggebaggert worden ist.“ Nach vorläufiger Analyse handelt es sich bei der Grabbeigabe um eine für den Landkreis einmalige Fibel vom Typ Alesia, die als Verschluss der schweren römischen Militärmäntel auf der rechten Schulter getragen wurde. „Im kommenden Jahr sollen einige Brandbestattungen aus dem Landkreis im Rahmen eines kleinen Forschungsprojektes näher untersucht werden.“, so Lau. Man erhoffe sich davon neue Erkenntnisse über die vergangenen Lebenswelten und Einblicke in die Bestattungsbräuche der Eisenzeit. Aktuell befinden sich die Funde aus Harrienstedt in der Aufarbeitung durch die Kommunalarchäologie. Es ist geplant die Fibel im Rahmen einer kleinen Ausstellung der Öffentlichkeit zu zeigen.
2000 Jahre alte Bestattung unter dem Radweg